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Berichte / Fahrtensegeln

Vater und Sohn mit dem Taschenboot unterwegs

30.7.2017 Webredaktion

Kurz gesagt: es war hart, aber schön. Gerefft wurde auf der knapp siebenwöchigen Tour nur einmal, nämlich zu Anfang, und dieses Reff blieb drin. Manchmal kam auch ein zweites dazu. Und unsere Bibel, der Reeds Nautical Almanach, blieb die gesamte Tour über nass, wobei wir befürchteten, dass er nicht mehr zu gebrauchen wäre, sobald er trocken ist.  
 

Auf der Nordsee: Kleines Boot in ruppiger See
- da kann dem Fotografen schon mal das Bild verrutschen

Unsere Reise begann am 9. Juli im Heimathafen Wedel. Geplant war, in einem Rutsch nach Edinburgh zu segeln, was knapp 450 Seemeilen gewesen wären. Wenn uns das gelungen wäre, stände uns die optimale Option, den Kaledonischen Kanal zu durchfahren, zur Verfügung.Jedoch machte uns die Wettervorhersage mit sieben, in Böen acht Bft vorerst einen Strich durch die Rechnung, so dass wir auf Helgoland abwettern mussten.
   Auf Helgoland den Sturm abwettern
Am Tag darauf sollte es dann losgehen, jedoch fiel uns nach einem halben Tag Kampf mit der gut zwei Meter hohen See auf, dass unser Tank irgendwo Diesel verlor und der ins Boot lief. Also mussten wir zurück nach Helgoland, was uns im Großen und Ganzen eine halbe Woche kostete und somit den Kaledonischen Kanal aus unserem Plan strich. Uns wurde ebenfalls klar, dass es nicht möglich sein würde, zu zweit bei diesem Wetter die Nordsee zu queren. Deshalb entschieden wir uns „old school“ England weiter südlich zu erreichen, also an den Friesischen Inseln vorbei, durch das Ijsselmeer und über Amsterdam nach Lowestoft.
   Angekommen in England: Red Ensign als Gastlandsflagge
Allerdings wehte es auch auf diesem Weg kräftig. Beim Ansteuern von Borkum büßten wir unseren Traveller ein, der uns bei knapp 10 Knoten Fahrt über Grund aus dem Reitbalken gerissen wurde. In England ging es nach einem gewissen Kulturschock (Kontrast Amsterdam/Lowestoft) wegen Zeitmangels in einem Stück nach Edinburgh.
Nach einem kleinen Zwischenstopp dort ging es den Firth of Forth weiter hinein, bis wir den Eingang zum Forth and Clyde Canal erreichten. Dort legten wir kurzerhand den Mast, tankten Sprit und nahmen die 56 Kilometer lange Fahrt quer durch Schottland mit 40 Schleusen in Angriff.
Dieses kontinuierliche Schleusen raubte viel Zeit. Daher entschieden wir uns, nachdem wir die Westküste erreicht hatten, auf die Isle of Man wie auch auf Wales zu verzichten und direkt nach Irland überzusetzen.
   Gastlandflagge gewechselt: In schottischen Gewässern
Nach zwei Stopps in Irland, davon einem in Dublin, segelten wir in einem Stück, an Wales vorbei, nach Cornwall. Schließlich passierten wir Land‘s End bei perfektem Wetter und gutem Wind. An der englischen Südküste hatten wir dann besseres Wetter im Vergleich zu den letz- ten Wochen. Das ermöglichte es uns, mehrere Buchten anzusteuern und zu ankern. Wir hatten zudem das zweifelhafte Vergnügen, eines der berühmt-berüchtigten Races zu kreuzen, was einem Fehler unserer Navigation zu verdanken war. Wir hatten Glück, dass das Wetter mitspielte. Nichtsdestoweniger hatten wir zwischendurch Sorge, dass unsere Pinne das nicht lange mitmachen würde.
  Es geht tief in den Firth of Forth hinein:
schottisches Wetter und die berühmte Forth Bridge achteraus
Im Solent nördlich der Isle of Wight hatten wir noch das ebenfalls zweifelhafte Vergnügen, sämtliche Regattafelder der Cowes Week zu kreuzen, was bei der Anzahl von Booten und Klassen nicht ganz leicht war. In Ramsgate entschieden wir uns gegen das Hinaufsegeln in die Themse. Stattdessen fuhren wir mit dem Zug nach London, was uns einige Tage an Zeit geschenkt hat. Zurück an Bord kreuzten wir das Verkehrstrennungsgebiet und landeten schließlich in Belgien. Von dort aus ging es dann zügig, ohne Zwischenstopp in den Niederlanden, zu den Friesischen Inseln, wo wir unsere übrig gebliebene Zeit im Wattenmeer bei bestem Wetter und im Kontrast zur ruppigen Nordsee verbrachten.
  Noch älter als der Kaledonische Kanal: in den Schleusen des Forth and Clyde Kanal
Nach 46 Reisetagen langten wir an einem schwülen Sommertag mit dem Abendhochwasser am 24.August in unserem Heimathafen Wedel an. Im Großen und Ganzen haben wir in diesen sieben Wochen viel über Whisky, Seemannschaft und die britischen Gewässer gelernt. Zudem haben wir unser AIS lieben gelernt, das uns in so manchen Fällen geholfen hat, sei es im Verkehrstrennungsgebiet, mit Schiffen über 30 Knoten Geschwindigkeit oder mit Fischern vor der belgischen Küste bei Nacht, die überhaupt keine feste Route fuhren.

Manfred und Yelle Taschendorf Hat seine besten Tage hinter sich gelassen: Fischereihafen Arklow, Republik Irland
Für diese beeindruckende Reise 2016 mit kleinem Boot, einem IF Folkeboot, erhielten Manfred und Yelle Taschendorf (Vater und Sohn) den Niederelbe-Preis für die weiteste Reise eines Bootes unter acht Metern und den Kommodore-Preis der SVAOe für die größte seeseglerische Leistung auf dem diesjährigen Gründungsfest.
Alle Fotos Yelle Taschendorf Endlich schönes Wetter an der englischen Südküste. Nur der Stander hat gelitten







 

Providence, Rhode Island

Natürlich muss man nicht unbedingt wissen, wo Providence liegt. Aber immerhin ist Providence die Hauptstadt von Rhode Island, einer der kleineren New England-Staaten im Nordosten der USA. Und wenn man dort sein Schiff liegen hat und man dort an Bord gehen will, sollte man schon wissen, wohin die Reise geht. Wenn man es vergisst, wird es kompliziert.
In Boston steige ich übermüdet aus dem Flieger. Die Immigration dauert endlos. Von den 20 Abfertigungsschaltern sind nicht mal die Hälfte besetzt. Gerade sind zwei vollbesetzte Maschinen von Übersee gleichzeitig eingetroffen. Die Wartehalle ist brechend voll. Die Passagiere werden durch die flughafentypischen Absperrungen in schier endlose, mäandernde Warteschlangen gezwungen. Die in den USA übliche Einreiseprozedur ist noch einmal verkompliziert worden, seit ich zuletzt hier war. Jetzt muss man erst die vier Finger der rechten Hand, dann den rechten Daumen, dann die vier Finger der linken Hand, dann den linken Daumen auf den Scanner legen. Jetzt noch ein Foto und dann die Befragung: Wohin des Wegs? Warum? Welches Hotel? Nein, kein Hotel? Ein Boot? Allein? Ihr eigenes Boot? Wieso ist das Boot hier und Sie nicht?
Ich bin ja nun hier und irgendwann ist der Wissensdurst der durchaus freundlichen Beamtin gestillt. An ihrem Schalterkasten klebt ein Plakat mit einer brandneuen Selbstverpflichtung ihres Dienstes: Man wolle alle Reisenden freundlich und respektvoll behandeln. Gut so. Das war schon mal anders. Mit der Peter-Pan-Buslinie soll es weitergehen. Michael hatte es mir detailliert beschrieben. Und richtig, am angezeigten Ort steht der grüne Bus, und er ist eben dabei abzufahren. Ich werfe mein Gepäck ab, haste ein paar Schritte, klopfe an die Scheibe. Der Bus hält. Ich schnappe meine beiden Taschen und steige ein. Wo soll`s denn hingehen, fragt der Fahrer. "Nach.....". Ich will antworten, kriege aber kein Wort heraus. Wie heißt doch gleich das verfluchte Kaff? Der Fahrer schaut mich an. Alle Fahrgäste schauen mich an. Sehr höflich, sehr zurückhaltend. Es dauert eine Äonen-lange, quälende Minute, in der mir nichts einfällt. Schließlich sage ich: "Eine Stadt im Süden von Boston." Wenigstens das weiß ich. Wieder eine grauenhafte Pause. Der Fahrer legt den Kopf zur Seite. Auch die Passagiere sind sehr interessiert. "OK", sage ich, „ich steige wieder aus“. Da, aus dem Nichts, fällt das Wort aus dem zuvor leeren Kopf auf die Zunge: "Providence. Ich muss nach Providence."
Da müsse ich den nächsten Bus nehmen. Auf dem stehe auch mein Ziel vorne drauf: "Da können Sie gar nichts falsch machen. Providence, Rhode Island."

Backbord rot, Steuerbord grün

Michael ist heute früh auf Krawall gebürstet. Erst beschwert er sich mürrisch darüber, dass die vier Schokoladentafeln gestern an drei verschiedenen Stellen des Schiffes verstaut worden seien und keine an seinem rechten Ort, jedenfalls nicht im eigentlich seit Jahren für Süßigkeiten vorgesehenen Schapp. Es ist ihm auch nicht recht, dass zum Frühstück keine Wurst auf dem Salontisch der „Luv“ liegt. Wer denn gestern beim großen Provianteinkauf die Wurst vergessen habe? Dabei war er mit im Supermarkt. Und jetzt will er, nur mäßig beschwichtigt durch ein Rührei mit Speck, auf einmal wissen, ob sich Windräder linksherum oder rechtsherum drehen. Das ist zwar eine für Segler durchaus relevante Frage - richtig beantwortet hilft sie, die Windrichtung anhand der an Land stehenden und sich drehenden Windräder sicher zu bestimmen.
Aber Michael will gar keine Antwort - er glaubt sie nämlich schon zu kennen. Er will Wirrnis verbreiten: „Wie bestimmst Du die Drehrichtung: Wenn du vor der Windmühle stehst? Oder wenn Du von hinten draufguckst?"
Ich sage: "Das Ding dreht sich doch nicht anders, wenn du mal von der einen, mal von der anderen Seite hinschaust." Doch, sagt Claus, von hinten sähe es aus, als ob es linksrum dreht und von vorn andersherum. Oder umgekehrt.
Wie das denn bei Schiffsschrauben sei, fragt Michael, nicht etwa, um das Thema zu wechseln. Eggert sagt: "Da musst du tauchen und nachschauen." Und Claus ergänzt, man könne auch den Motor anschauen und versuchen, an der Welle die Drehrichtung zu erkennen. Aber, so Michael: „Was heißt denn beim Motor von vorn betrachtet und was von achtern?"
Die Frage bleibt offen. Zum Tauchen ist es viel zu kalt. Die Luft im Hafen von Barrington, Rhode Island, misst grad 0°, das Wasser ist mal eben 6° wärmer. Es ist Herbst in den USA, und wir bereiten uns auf die lange Reise in den warmen karibischen Süden vor.
Die „Luv“ muss noch hier und da seetüchtig gemacht werden. Das Ruder bekommt ein neues Gestänge. Das Rigg wird sorgfältig geprüft. Eigentlich wollen wir auch die Navigationselektronik reparieren. Aber die Ersatzteile stecken in unserem Fluggepäck, und Air France schafft es seit drei Tagen nicht, die Koffer und Seesäcke von New York endlich nachzuliefern. Wir sind ohne Unterwäsche, ohne Zahnbürste und ohne Rasierseife.

Das kann schon mal zu wunderlichen Tischgesprächen führen. Ich leiste meinen Beitrag: Man wisse ja, dass auf der Südhalbkugel das Wasser im Waschbecken genau andersherum durch den Abfluss herauskreiselt, als bei uns im Norden, und es wäre doch interessant zu erfahren, auch aus seemännischer Sicht, wegen der Richtungsbestimmung des Windes, ob sich zum Beispiel in Südafrika die Windräder andersherum drehen. Eggert weiß, dass dort unten der Wind anders herum in das Tief weht. Björn, er ist Lehrer, weiß, dass das mit dem falsch herum drehenden Waschbeckenwasser an der Corioliskraft liegt und die etwas mit der Erdumdrehung zu tun hat.
Bevor nun jemand fragen kann, ob die Erde sich nun so oder andersherum dreht, stellt Michael seinen nackten rechten Fuß auf die Sitzbank. Der Nagel des großen Zehs ist rot angemalt. Wir erfahren, dass seine Freundin den Pinsel geschwungen hat und zwar in der Hoffnung, die Südseeschönheiten von ihrem Schatz abzuschrecken. Denn, so Michael, wer so einen angemalten Zeh bei einem Mann sehe, der weiß gleich: Entweder ist der schwul oder in festen Händen einer liebenden Frau.
Ich wende ein, dass der rechte große Zehennagel nicht rot, sondern grün angemalt gehöre, jedenfalls bei Seeleuten. Denn seit alters her gelte diese Regel in der Seefahrt: Backbord rot. Steuerbord grün. Und es sei völlig egal ob man den angemalten Seemann nun von vorn oder von achtern zu sehen bekommt. Gegen dies Argument erhebt sich dann kein Widerspruch mehr.

Konjunkturmotor Segelsport

Paradies geht anders. An der Kasse des kleinen Supermarktes in Georgetown informiert ein großer Zettel die „geschätzten Kunden“ darüber, es sei dem Management bewusst, dass die Bermudas durch schwere wirtschaftliche Zeiten gingen. Man sei deshalb stolz darauf, ein Brot zum „very special“-Preis von nur 2,99 US-Dollar anzubieten. Das Sonderangebot gilt nur eingeschränkt: „Ein Laib pro Familie.“ Die „Luv“-Crew gilt nicht als Familie beim Großeinkauf. Wir müssen fürs Brot mehr als das Doppelte bezahlen. Unser Proviant für die anstehende siebentägige Tour in die Karibik kostet mehr als 400 Dollar. Alles auf dem kleinen Archipel mitten im großen Atlantik ist sündhaft teuer. Für ein Steak etwa werden an die 17 US-Dollar verlangt, nicht etwa im Restaurant, sondern im Supermarkt. Auf den Bermudas muss so gut wie alles, was man essen und verbrauchen kann, eingeführt werden. Für eine Rolle Küchenpapier blättern wir 3,50 Dollar hin. Eigentlich ein Unding, aber segeln ohne Küchenpapier, an Bord „HP“ genannt, ist unmöglich.
Die Insulaner, zum großen Teil die Nachkommen ehemaliger Sklaven, leben vom Tourismus. Und von dem leben sie mehr schlecht als recht. Vor zehn Jahren, sagt uns ein Restaurantchef, habe es auf den Bermudas noch 8000 gut ausgelastete Hotelbetten gegeben. Jetzt steht nur noch die Hälfte zur Verfügung, und die bleiben zumeist leer. Seit der Bankenkrise fließen auch die Einnahmen aus den ehemals blühenden Finanzgeschäften nicht mehr wie gewohnt. Die reichen Steuer-Hinterzieher machen inzwischen einen Bogen um das Steuerparadies, das einmal mit besonders niedrigen Abgaben um reiche Millionäre warb.
Die Touristen kommen zwar noch in Massen, aber sie wohnen und essen auf den riesigen Kreuzfahrern, die im Hauptstadthafen Hamilton vor malerischer Kulisse für ein paar Stunden vor Anker gehen. Mit Bussen und Schnellfähren wird ein Blitzbesuch organisiert. Zwischen Frühstück an Bord und Dinner im Salon überschwemmen die Passagierschiffe die Bermudas mal mit 2000, mal mit drei-, mal mit viertausend Gästen. Vor allem geht es nach Georgetown, dem Weltkulturerbe, das einen Teil seines mittelalterlichen Charakters zu bewahren sucht. Zur Gaudi der Touristen demonstrieren historisch gekleidete Georgianer 400 Jahre alten drastischen, englischen Strafvollzug. Eine angeblich zänkische und geschwätzige Frau muss sich mehrfach auf einem Stuhl sitzend ins Hafenwasser tunken lassen, bis sie triefend und spuckend laut und deutlich bereut.
Früher hatten die Gäste Zeit, mit dem Boot rauszufahren und zu schnorcheln, in den zauberhaften kleinen Buchten zu baden oder vielleicht auf einem der sieben wunderbaren Golfplätze, derer sich Bermudas Tourismus-Broschüren rühmen, eine Runde zu spielen. Jetzt setzen die beschäftigungslosen Boote in den Häfen Seepocken und Algen an, in den Badebuchten vergammeln die Liegen und auf dem ehemals exklusiven Golfplatz in Georgetown wird schon seit vielen Jahren kein Gras mehr gemäht. Den zahlreichen Arbeitslosen wird überall auf Schildern bedeutet, sie dürften hier nicht herumlungern: „No loitering“, heißt es am Marktplatz, am Touristeninfo, an beinahe jedem Restaurant.

Hoffnung erwächst den Menschen aus dem Wassersport. Wir kämen doch gewiss wieder, sagt der Kneipenwirt, der vor Jahrzehnten aus Ulm hier hängen blieb: „Zum America‘s Cup.“ Die Frau, die uns im Supermarkt als freiberufliche Kraft die Lebensmittel in Tüten packt, sagt: „Bestimmt kommt Ihr zurück zum America‘s Cup.“ Der Busfahrer, der Kellner, die freundlichen Zöllnerinnen, der Lotse, auch „Mama“, die Hafenmeisterin in Georgetown, alle sind sicher, dass alle Segler der Welt 2017 nichts anderes im Sinn haben werden, als das Supersondergroßereignis des Weltsegelsports mit eigenen Augen in den azurblauen Gewässern der Bermudas anzusehen. In Hamilton hängt an jedem Laternenpfahl ein Banner, das auf das Event verweist. Eine Uhrenfirma hat zum Anlass einen Luxuszeitmesser kreiert, auf Bechern, T-Shirts, Salzstreuern und Radiergummis wirbt Bermuda für das Spektakel. Die Firma „Oracle“, sie ist namensgebenden Titelverteidigerin, hat im Hafen ein streng abgeschirmtes Areal in Beschlag gelegt. Drei Hightech-Katamarane liegen dort mit ihren flügelartigen, steifen und schwarzen Segeln, die man weder einrollen noch falten kann. Ein Kran setzt die schwarzen Antriebskörper mit Mast auf die Rümpfe. Dann huschen die Fahrzeuge über die Bucht. Mit einem Fernglas könnte man das Training jetzt gut beobachten, wohl auch vom Oberdeck der Kreuzfahrer. Und wenn dann in den entscheidenden Regatten zweier AC-Boote in zwei Jahren der Sieger gefunden (mutmaßlich „Oracle“, kein anderer Herausforderer kann die notwendigen Millionen aufbringen) und die Sponsoren ihre Millionen-teuren Rechnungen bezahlt haben - wieviel Dollar bleiben davon auf der Insel?
Wir wissen es nicht. Mit gemischten Eindrücken und der Hoffnung auf guten Wind lassen wir die Bermudas hinter uns.
P.S. Von den berühmten kurzen Hosen, den Bermuda-Shorts, haben wir leider nicht viel gesehen. Hier ist Winter, die Menschen packen sich ein und bedecken die Beine. Mittags ist es schon mal 24 Grad kalt.

Bei Wind und Wetter

27.10.2015, auf See, an Bord „Luv“
Der Wind ist auch nicht mehr das, was er mal war. Diese Bemerkung ist natürlich 'ne Binse. Der Wind ist immer und zu jeder Zeit anders, als eben gerade. Er ist ja das sprichwörtlich Unstete, der zuverlässig Unzuverlässige. Dauernd in Bewegung, rechts- oder rückdrehend, böig, stürmisch, zunehmend oder abflauend. Und dann noch die 360 verschiedenen Richtungen, aus denen er wehen kann, vermischt mit Dutzenden von unterschiedlichen Temperaturen, Nebel, Regen, Eiskristallen, Gischt.
Landratten gehen solch differenzierenden Betrachtungen zur Luftbewegung sonstwo vorbei. Wenn Kachelmann oder seine Epigonen abends das Wetter von morgen verkünden, interessieren sich 99 von hundert Zuschauern allein für die Wahrsagungen zu Sonne und Regen. Wir Seeleute, Segler zumal, können aber gar nicht genug Details zum Wind, seiner Stärke, seiner Richtung und seiner Dauer erfahren. Hängt davon doch unser Fortkommen, unser Wohlbefinden, unsere Sicherheit ab.
Nehmen wir zum Beispiel mal den Wind von heute. Er bläst vom Nordwesten der nördlichen USA in Richtung Bermuda. Wir lassen uns von ihm nach Südost blasen. Windstärke sechs, flotte Fahrt. Da sollten wir dem Wind doch dankbar sein. Sind wir aber nicht. Bläst er doch nicht nur die „Luv“, er schiebt auch noch ziemliche Wellenberge vor sich her. Und die verderben alles. Claus kann sich am Ruder noch so anstrengen, den Kurs 156 Grad hält er beim besten Willen nicht. Die See reißt das Heck unseres Bootes mal hierhin, mal dahin. Vorn schießt die „Luv“ unvermittelt mal nach Backbord, mal nach Steuerbord. Die Delphine, die ihre eleganten Hechtsprünge eben haarscharf am Bug vorbei zielen, müssen höllisch aufpassen, nicht doch mal von der erratischen Bordwand eine gewischt zu bekommen.
Zum Kochen abkommandiert, verzweifle ich in der Kombüse an den überall herumtollenden Zwiebeln, Tomaten und Kartoffeln. Sie rollen vom Schneidebrett, flüchten vorm Messer, springen aus der Tupperdose, wollen nicht in den Topf, der Topf will nicht auf dem Herd bleiben und die Suppe nicht im Topf. Björn bekommt von diesem Tohuwabohu nichts mit. Er interessiert sich vorerst nicht fürs Essen, eher im Gegenteil. Er hat sich mit einer ausgewachsenen Seekrankheit in die Koje gepackt, Kotzeimer im Arm. Eggert ist wie immer sehr gelassen. Er ist selber so etwas Ähnliches wie ein Wetterfrosch und kann sehr präzise und detailliert erklären, warum der Wind so weht wie er weht. Aber ändern kann er ihn nicht um den kleinsten Hauch.
Nun glaubt ja der Laie, dass Segelboote gegen den Wind überhaupt nicht, mit dem Wind aber recht ordentlich vorankommen. Weit gefehlt. Der Kurs direkt vor dem Wind ist der blödeste, schaukeligste, auch der gefährlichste. Eine falsche Bewegung des Rudergängers, und das Großsegel fängt die unter Hochdruck stehende Luft von der falschen Seite ein, es schlägt dann mit ungeheurer Macht und Geschwindigkeit von Lee nach Luv, und der metallene Großbaum zertrümmert alles, was ihm bei dieser Patenthalse im Wege ist. Bei sowas sind schon Masten gebrochen, Seeleute reihenweise über Bord gegangen und Köpfe, nicht rechtzeitig geduckt, geplatzt, mindestens aber zerbeult.
Wie eingangs aber bereits festgestellt, bleibt ja kein Wind so, wie er war, also wird auch dieser, unser heutiger, seine Richtung und Stärke ändern. Wenn wir einen Wunsch frei hätten, wird er ein wenig rechts drehen, dabei vielleicht etwas, aber wirklich nur etwas abnehmen und wärmer werden, ruhig etwas mehr. Eggert gelingt es am Nachmittag, aus dem Zaubergerät mit dem Satellitendingsda einen Wetterbericht aus dem Äther zu fischen. Und - oh Wunder - der Wind soll danach ein wenig rechts drehen und ein ganz klein wenig abnehmen, und es soll ordentlich wärmer werden.
Leider pfeift das Wetter auf seine Vorhersage. Der Wind brist kräftig bis zur Sturmstärke auf, er dreht zurück, und er wird kälter. Gegen zehn Uhr müssen alle Mann an Deck und alle Segel bergen. Vor Topp und Takel rutschen wir noch mit fünfeinhalb Knoten die Wellenberge hinunter.
Aber auch dieser Sturm bläst sich aus. Bei Sonnenaufgang entfalten sich unsere Segel wieder. Wir machen wieder gute Fahrt. Bis zu den Bermudas sind es noch drei Tage ... Wenn der Wind so bleibt....

Mann über Bord!

6.11.2015, an Bord „Luv“, auf See
"Mann über Bord!" Eggert reagiert am Ruder vorbildlich und sofort auf meinen Alarmruf. Kaum ist der aus dem Mund, kommen seine klaren Kommandos: „Vorsegel bergen! Ein Mann an die Großschot!". Mit der einen Hand dreht er das Schiff in den Wind, mit der anderen hält er den MOB- Knopf gedrückt. Auf Gegenkurs zeigt uns jetzt der Bildschirm am Steuerstand, wo genau der M(ann)O(ver)B(ord) gegangen ist und wo wir diesen Schiffbrüchigen jetzt in der aufgewühlten Sargassosee suchen und retten müssen.
Der Mann ist ein Rettungsring. Der war mir aufgefallen, als die „Luv“ im Abstand von einer halben Kabellänge daran vorbeigesegelt war. So etwas kann man auf See nicht einfach links liegen lassen. Wer weiß, ob der orangerote Ring nicht von einem Schiffsuntergang stammt. Womöglich warten Angehörige von verschollenen Seeleuten auf Nachrichten oder auf Hinweise, wo denn die Katastrophe stattgefunden haben könnte. Hier hatten wir das letzte Zeugnis eines schrecklichen Unglücks. Das muss geborgen werden.
Eggert mutmaßt, mir ginge es doch nur darum, ein dekoratives Stück für meine Hafenkneipe aus dem Wasser zu fischen, wenn ich demnächst mal eine in Buxtehude aufmachen wollte. Eine betagte, bunte Hummerboje hätte ich ja auch schon in meinem Schrank versteckt. Sei's drum. Das Manöver klappt reibungslos. Mit dem Bootshaken hieven wir das maritime Rettungsmittel an Bord. Der vom Salzwasser abgewaschene Heimathafen ist nur als Schatten von Klebebuchstaben auf dem harten Kunststoff zu erkennen: Nassau. Der Schiffsname, den jeder Rettungsring tragen muss, ist nur unvollständig und schon sehr verblasst. Wir raten eher, als dass wir entziffern: „Norwegian Sky“.
Es existiert eine große Kreuzfahrtlinie, deren Schiffe alle mit "Norwegian" beginnen. Von einem abgesoffenen Kreuzfahrer dieser Reederei hätten wir bestimmt gehört. Also kein Unglück. Doch nur Dekoration. Auch nicht schlecht. Und außerdem sollte auf jedem Schiff ab und an ein Mann-über-Bord-Manöver geübt werden.

Besser geht nicht.

„Luv“ auf dem Weg von Bermuda nach Westindien
Seit Stunden mussten die Segel um keinen einzigen Millimeter justiert werden. Der warme Passat bläst beständig aus Nordost und mit gleichmäßigen vier Windstärken, eine perfekte Backstagbrise. Die See ist nur mäßig bewegt. Die „Luv“ legt sich geschmeidig in die Wellen, hebt sich ein wenig, giert ein wenig und hält präzise ihren Kurs. 170 Grad und noch 779 Seemeilen bis nach Antigua. Mit jeder Stunde, die wir nach Süden vorankommen, werden es gute acht Meilen weniger. Ausgezeichneter Speed.
Nur auf See, nur in einer solchen Nacht mit dieser samtenen Luft, leicht feucht, zart salzig, ist solch ein Sternenhimmel möglich. Der Mond wird erst weit nach Mitternacht aufgehen und erst dann mit seinem Licht diesem tiefschwarzen und zugleich millionenfach glitzernden und leuchtenden Firmament seine einzigartige Brillanz nehmen. Silbrige Satelliten - von der längst versunkenen Sonne in ihrer Höhe gleichwohl noch beleuchtet - ziehen ihre Bahnen. Sternschnuppen zeichnen mal feine, mal kräftige, helle Blitzstriche quer durch Orion, den Großen Wagen oder bis hinunter in den Horizont. Ein Fliegender Fisch zappelt im Cockpit, handtellergroß. Claus hat Mitleid, und er fliegt wieder von Bord. Ein paar silbrige Schuppen glitzern auf dem Teakdeck.
Wann, wenn nicht jetzt, muss über Gott und die Welt philosophiert werden? Mit Eggert an Bord ist das nicht denkbar. Er ist Physiker und kann die Weltgesetze von Gravitation und Urknall bis Dunkler Materie und Raum-Zeit-Krümmung so nachvollziehbar erklären, wie Newton und Einstein. Wie entstand all diese Pracht über uns? Gibt es Leben da draußen? Gott kommt in Eggerts spannenden Szenarien nicht vor.
Schließlich überstrahlt der abnehmende Mond den dünnen Lichtschleier der Milchstraße. Nur noch die helleren Sterne und Planeten behaupten sichtbar ihre Plätze. Der Wind bläst immer noch aus Nordost mit vier Beaufort, noch immer hat niemand an irgendeiner Schot gezogen, noch immer machen wir sehr gute Fahrt. Wir warten auf den Sonnenaufgang. Der wird spektakulär. Die Welt bekommt wieder Farbe.
Björn überrascht uns mit der Mitteilung: "Ich hab heute Geburtstag." Herzlichen Glückwunsch! Ich backe für jeden in der Crew ein Brötchen knusprig. Michael brüht einen Kaffee auf. Welch eine Nacht. Welch ein Tag. Besser geht nicht.

New York Yacht Club von 1844 in Newport, Rhode Island

Genau hier hat er gestanden, der Heilige Gral des Segelsports. Die „Kanne“, der legendäre America’s Cup. 138 Jahre lang konnten die Skipper des New York Yacht Clubs die Zinntrophäe verteidigen. Dann ging sie an die Australier.
Zu bewundern ist hier aber auch so noch genug: Dutzende Schiffsmodelle, hunderte von Pokalen und Tellern und Schalen aus Silber und Glas, mit Füßen aus Ebenholz und mit den leicht patinierten Namensplaketten der siegreichen Seehelden der vergangenen 171 Jahre. Der Name von Dennis Connor, vielfacher Verteidiger und tragischer Verlierer des America’s Cup, ist gleich mehrfach eingraviert. Mehr maritime Tradition geht eigentlich nicht.
Ich stehe im dunkel getäfelten Throphäen-Saal des New York Yacht Club von 1844 in Newport, Rhode Island. Nick Brown gibt mir eine Privatführung durch das Clubhaus, das wie ein Schloss hoch über dem Newport Harbour thront.
In der Bucht haben sich hunderte Segelboote an ihren Moorings und Ankerketten mit der Nase in den frischen Wind gelegt. Dort liegt auch die Segelyacht von Nick, die „Foxtrott“. Das ist eine X 482, Baunummer 52. Unsere „Luv“ liegt dicht daneben. Sie ist auch eine X-482, Baunummer 53, und dieser Zufall hat mir Nicks Einladung und Privatbesichtigung eingebracht. Er wollte den Skipper seines Schwesterschiffes kennenlernen und mit ihm fachsimpeln.
Nick macht eine Tür auf: „Hier habe ich meine Schularbeiten gemacht. Da drüben hat meine Tante ihren Tee eingenommen und gestickt.“
Eine weitere himmelhohe Flügeltür schwingt auf und gibt den Blick frei auf schwere Stilmöbel, glitzernde Kronleuchter, überall erlesene Antiquitäten, die Wände sind voll mit wertvollen historischen Gemälden, Seestücke zumeist.
„Hier haben wir gegessen“, sagt Nick Brown. Der ehemalige Captain der US-Navy ist 82 Jahre alt und in diesem Schloss aufgewachsen, das sein schwerreicher Großvater 1906 im Renaissance Stil einem französischen Landadel-Sitz nachgebaut hat. Gleich um die Ecke prunkten die Rockefellers und die Vanderbilts mit gewaltigen Prachtvillen. Mit der späteren Präsidentengattin Jacky Kennedy, sie wohnte gleich nebenan, ist Nick mal ausgegangen.
Newport war – und ist – eine erste Adresse des amerikanischen Geldadels. 1985 hat Nicks Familie den „Harbour court“, das Hafenschloss, an den New York Yacht Club verkauft. Die Unterhaltskosten seien zu hoch geworden, sagt er: „Im Winter mussten wir viertausend Dollar nur für die Heizung ausgeben. Im Monat!“ Seither ist er hier nur noch Mitglied. Aber einer mit Gewicht und Ein#uss. Im zuständigen Ausschuss sorgt er für den p#eglichen Umgang mit dem selbstverständlich unter Denkmalschutz stehenden Anwesen.
Vor Jahren, 2007, war ich mit meiner „Luv“-Crew schon einmal in diesen heiligen Hallen, in denen Handys streng verboten und Krawatten und Jackett für die Herren verp#ichtend sind. Der NYYC hatte am Vorabend des Starts der transatlantischen Blue-Race-Regatta von Newport nach Hamburg alle Teilnehmer zur Farewell-Party eingeladen. Wir waren davon ausgegangen, dass es etwas auf die Gabel geben würde und hatten in dieser Erwartung den ganzen Tag über kaum etwas gegessen. Leider servierten nur sechs Bedienstete auf sechs silbernen Platten lediglich kleine Häppchen für die hungrigen 500 Gäste. Die Luvianer machten aus der Not eine Tugend. Wir positionierten uns, fünf Mann rechts, fünf Mann links, neben der Schwingtür von der Küche zum Großen Saal. Kam eine neue Platte auf einer Kellnerschulter durch die Tür, griffen 20 Hände gleichzeitig die Fingerfood-Stücke ab. Die Platten kamen dann nicht mehr weit. Der Trick funktionierte eine ganze Weile. Dann wurden wir von unserer Poleposition mit einer extravollen Platte mit Chicken Wings und reichlich Lachshäppchen mit Ei und Kaviar weggelockt.
Heute werde ich bedient. Nick hat auf der sonnigen Terrasse zum Lunch gebeten. Mit dabei ist Heather, eine sehr junge, sehr attraktive Frau, die auf der „Foxtrott“ für Nick als Bootsfrau arbeitet. Wir unterhalten uns über unsere Schiffe, die unterschiedlichen Segel, die wir jeweils an Bord haben, den unterschiedlichen Tiefgang von „Luv“ und „Foxtrott“. Als Nick beim Kaffee feststellt, dass nur Süßstoff im Zuckerbecher ist, zitiert er die Kellnerin zu sich und macht ihr in Wortwahl und Tonfall klar, wer noch immer Herr im alten Haus ist: „Ich will echten Zucker, verdammt noch mal. Und ich will das nicht noch einmal sagen.“ „Selbstverständlich“, sagt das Mädchen. Das müsste doch so nicht sein, sagt Heather. Doch, sagt Nick Brown. Er hat hier sehr alte Rechte und er hat nicht vor, sie abzugeben.

Heiko Tornow

 

Von den Florida Keys nach Eckernförde

Eine Überführung mit Hindernissen

1038 Florida Eckernfoerde 4

Ich bin einer der Neuen in Eckernförde. Mein Name ist Jörg, und zusammen mit meiner Frau und meinem Sohn haben wir einen Trimaran namens „Pegasus“. Als wir Himmelfahrt das Boot nach Eckernförde legten, schlug uns jemand vor, dass ich mich vielleicht mit der Geschichte unseres Bootes, das doch schon etwas auffälliger ist, über die Vereins-Nachrichten vorstellen könnte. Hier ist also eine kurze Zusammenfassung:
Im Sommer 2013 war ich mit meiner Familie mit unserem kleinen Trimaran ohne jeglichen Luxus unterwegs. Meine Frau meinte, dass sie als nächstes gerne einen Trimaran mit Bordtoilette hätte. Auch wenn dies nicht ernst gemeint war, war mir der Wunsch meiner Frau Befehl, und ich begann sofort mit der Suche, um ihren Wunsch zu erfüllen. Schließlich fand ich ein Segelboot, welches die Kriterien erfüllte.
Dieses Boot war schnittig, ausreichend komfortabel und finanzierbar. Die „Pegasus“ ist sehr individuell gebaut. Drei Rümpfe, freistehende Masten, alles um offshore unabhängig leben zu können. Es war Liebe auf den ersten Blick. „Pegasus“ lag in einem der schönsten Segelreviere der Welt. Der Haken: es war nicht die dänische Südsee, sondern die Keys in Florida.
Es begann ein lebhafter E-Mail Verkehr. Viele Mails später flogen wir nach Miami, um uns das Boot anzusehen und Probe zu segeln. Für meine Familie war es keine Liebe auf den ersten Blick, aber ich setzte mich durch und wir kauften das Boot, auch wenn meine Frau Bedenken hatte, dass das Boot für uns zu groß sei.
Die Idee war, das Boot kurz nach dem Kauf nach Deutschland zu segeln. Ich fand jedoch keine Mitsegler, da niemand während der Herbststürme segeln wollte. Das war schon ein komisches Gefühl, ein Boot gekauft zu haben, und es ein halbes Jahr liegen zu lassen, um es dann im Mai, der empfohlenen Zeit für Atlantiküberquerungen, nach Europa hinüber zu segeln.
Ein halbes Jahr lang haben wir uns informiert, Ausrüstung gekauft und alles Mögliche geplant. Wir lasen die Bücher von Wilfried Erdmann mit großem Interesse. Wir machten unseren Funkschein, meine Frau machte den Sportbootführerschein-See. Somit bin ich einer der wenigen glücklichen Männer, deren Frau eine Segelyacht führen darf. Dann musste ja noch viel organisiert werden. An den Wochenenden saßen wir mit großen Checklisten beim Frühstück. Wir brauchten ein AIS, ein Satellitentelefon, das Wetter musste auch von unterwegs abrufbar sein. Meine Frau legte eine Internetseite - www.tri-pegasus.de - an, auf der unsere Reise verfolgt werden konnte. Wir beschafften uns ein B2-Visum, um mit dem Segelboot die USA verlassen zu können.
Unsere Liste umfasste dann auch noch die Bordapotheke. Zusammen mit meiner Mutter wurde diese gepackt. Gebraucht haben wir vorwiegend ein paar Pflaster, Antiseptische Salbe und H2O2 zur Wundinfektion, die Augentropfen und für unser Gastkind noch das Mittel gegen Reiseübelkeit.
1038 Florida Eckernfoerde 6Mit meiner Frau, unserem Sohn und einem Freund hatten wir ein paar schöne Tage in der Karibik, bevor die Crew in Miami ausgetauscht wurde. Meine Frau und die Kinder verließen das Schiff, und die Mitsegler kamen an Bord. In Miami wurden ein Riss im Großmast repariert und Ersatzteile für die Schmutzwasserpumpe besorgt. Auch ein zweiter AIS-Transponder wurde besorgt, da der erste nicht funktionierte.
Dem Wetterbericht zufolge, war ein schneller Aufbruch zwingend nötig, da der Wind auf Ost drehen sollte. Daher fuhren wir kurzerhand über Nacht mit dem Ziel Nassau los.
Kurz vor dem Erreichen von Cat Cay versagte der Autopilot und kurz danach auch das Ruder. Zum Glück war die Notpinne schnell bei der Hand und so konnten wir durch eine dreißig Meter breite Gasse mit schroffen Felsen auf beiden Seiten 20 Minuten nach dem Einsatz der Notpinne fahren, um dann das Boot kurz darauf sicher vor einem kleinen Flughafen zu ankern. Später lasen wir in der Seekarte, dass hier das Ankern auf Grund der anfliegenden Flugzeuge nicht vorgesehen war.
Interessanterweise haben wir es geschafft, mit den an Bord befindlichen Mitteln das Ruder wieder zu reparieren, und so segelten wir weiter nach Nassau. Nachts um 2:00 Uhr kamen wir in Nassau an. Nassau Harbour Control verweigerte uns das Einlaufen in den Hafen, so dass wir uns in der dunklen Nacht (es war Neumond) durch Korallenriffe wagten, um einen geeigneten Ankerplatz zu erreichen. Dem GPS-Kartenplotter sei es gedankt.
Wir segelten wieder los und meldeten uns über Funk bei Harbour Control an. Diesmal wurden wir gebeten, am Kai festzumachen, wo auch die Luxusliner anlegen. Als wir Kurs auf den Kai aufnahmen, wurden wir von der Wasserschutzpolizei abgefangen. Wir mussten mit dem Boot wieder ein Stück aus dem Hafen raus, um vor einem öffentlichen Badestrand zu ankern. Dort machten wir das Beiboot klar. Schnell hatten wir die ersten Einheimischen an Bord, die einfach zu unserem Boot schwammen und sich in die Netze legten. Das uns jetzt schon bekannte Eincheck-Chaos begann. Zwei von uns fuhren mit dem Beiboot unter Polizeigeleit zurück zum Kai. Von hier aus ging ich an Land, um mich mal wieder durchzufragen, wo Immigration und Customs erledigt werden könnte. Dort angekommen sagte man mir, dass das Boot vorgeführt werden müsse. Also wieder zurück zum Boot und auf dem Weg die Polizei informiert. Mit der „Pegasus“ einmal um den Kai herumgefahren, um auf die Rückseite zu gelangen. Eine Beamtin schaute einmal von der Ferne auf unser Boot. Danach hatten wir zum Glück und ohne weitere Probleme Customs und Immigration erledigt. Eine halbe Stunde später waren wir endlich an unserem vorgesehenen Ankerplatz und konnten unseren Landgang vorbereiten.
Am nächsten Abend bargen wir eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit den Anker, um noch schnell im schwindenden Licht die Segel hochziehen zu können. Der Wind frischte gründlich auf. So zogen wir schnell hinaus. Da wir hoch am Wind laufen wollten, knallten wir die Segel kräftig an. So kräftig, dass die Schnellreffs rissen. Wir hielten das Boot unter Motor gegen den Wind, um weiter zu reffen. Doch dann fiel der Motor aus, und das Ruder war blockiert. Jetzt trieben wir ohne Motor, ohne Segel und ohne Steuer bei 1,5 Meter Wellenhöhe ziellos dahin. Mit der Taschenlampe leuchteten wir das Wasser ab und entdeckten so ein Seil in unserer Schraube. Schnell stellten wir fest, dass es sich um unser eigenes Seil handelte, das sich vorne beim Anker gelöst hatte und durch einen Riss im Netz gerauscht war und hinter dem Boot hergezogen wurde. Das haben wir jedoch auf Grund der Dunkelheit nicht gesehen. Nach kurzer Beratung entschloss ich mich, tauchen zu gehen, um die Welle von dem Seil zu befreien. Da ein Trimaran jedoch auch ohne Segel bei starkem Wind und Wellengang eine Fahrt von 4,5 Knoten machte, mussten wir das Boot vorher langsamer bekommen. Dafür ließen wir den Anker 10 Meter ins Wasser und ließe dicke Trossen im Wasser treiben. Damit konnte die Geschwindigkeit auf 1,5 Knoten reduziert werden, welche vorwiegend die Strömung darstellte. Zum Glück hatten wir eine leistungsstarke, wasserdichte Taschenlampe, so dass das Ankerseil schnell aus der Welle entfernt werden konnte. Nun musste die Welle wieder in die Kupplung. Dies war jedoch schwer zu bewerkstelligen, da die runde glatte Welle in der Hand durchdrehte und aufgrund der Strömung am Boot nicht zur Kupplung zu ziehen war. Kurzerhand bauten wir den Kupplungsflansch vom Getriebe ab und installierten ihn auf der Welle. So war es möglich die Welle zum Getriebe hinzuziehen und somit wieder am Motor anzubringen. Endlich konnte der Motor wieder angelassen werden. Im Standgas lief er sehr unruhig, da die Motorfüße beschädigt und verbogen waren. Mit etwas mehr Gas lief der Motor aber wieder ausreichend rund, um genügend Fahrt aufnehmen zu können. Unter Motor fuhren wir nun gegen Wind und Welle zurück nach Nassau. Nach kurzer Diskussion mit Harbor Control durften wir den Hafen in der Morgendämmerung wieder anlaufen und schliefen erstmal aus. Aufgrund der negativen Erfahrungen der letzten Tage entschieden sich zwei Mitsegler auszusteigen. Jetzt gab es nur noch meinen Trauzeugen Holger und mich an Bord.
Wir brauchten dann fünf Tage, um die „Pegasus“ wieder so weit zu kriegen, dass wir wieder in See stechen konnten. Ein Auszug aus unseren Tätigkeiten: Mastrutscher ausgetauscht, Luke geflickt, Netz geflickt, Schnellreff entfernt und Bändselreff vorbereitet, Kabel repariert, neuen Proviant gestaut. Wir haben aber auch Sightseeing betrieben. Am besten hat uns Potter’s Pier gefallen, wo wir hauptsächlich Einheimische trafen. Als wir nun endlich los wollten, hörten wir ein lautes „Kabong“. Das war die Nassauer Wasserpolizei, die unser Boot inspizieren wollte, just in dem Moment, in dem wir Anker lichten wollten. Die Wasserpolizei geht nicht zimperlich mit fremden Booten um. Anlegemanöver werden auch schon gerne mal ohne Fender gemacht. Nachdem sie eine Stunde lang mit uns ein Formblatt ausfüllten und an Bord nichts zu beanstanden hatten, legten sie wieder ab. Nun konnten wir endlich lossegeln.
Diesmal sollte uns nichts aufhalten. Wir hatten immer noch starken Ostwind und konnten nicht unseren gewünschten Kurs segeln, so dass wir im Slalom durch die Inselgruppen von Nord Bahamas segeln mussten. Wir fuhren im zweiten Reff, und als wir am Stranger’s Cay ankamen, löste sich der Topp des Besansegels vom Mast. Wir erkannten diesmal, dass nicht die Mastrutscher kaputt gegangen waren, sondern die Schiene am Mast abgerissen war. Dies lag daran, dass der Mast und die Segellatten beim zweiten Reff zu steif waren, um eine gleichmäßige Kraftverteilung auf die Mastrutscher auszuüben, und dass daher das Achterliek und die Segelwölbung die Mastschiene am Segeltopp rausrissen. Wir nähten die Mastrutscher mit Gurtbändern 10 cm vom Segeltopp an und banden den Besan so tief wie möglich am Baum fest, um mit dem Segeltopp unter der kaputten Mastschiene zu bleiben. So konnten wir auf der Atlantiküberquerung den Besan zumindest im zweiten Reff nutzen.
Nun endlich waren wir auf dem offenen Atlantik. Wir hatten um uns rum und vor allen Dingen hinter uns ein kräftiges Gewitter. Wir machten drei Kreuze, dass wir vor dem Gewitter davonsegeln könnten. Wir mussten leicht gegen Wind und Wellen ankreuzen und hatten guten Wind, der uns in den Norden brachte. Die Wellen waren doch sehr beeindruckend. Sie waren bis zu sechs Meter hoch. Die Wellen klatschen seitwärts gegen den Rumpf, und wir zogen mit bis zu 8 Knoten mit dem zweiten Reff im Groß dahin. So segelten wir drei Tage, bevor wir den Kurs nach und nach mehr gen Osten abstecken konnten. An Hand der Wetterbeobachtungen hatten wir bereits im Vorfeld festgestellt, dass, wenn der Wind nicht richtig war, wir zunächst weiter gen Norden segeln mussten, um dann später mit Hilfe der Windänderung gen Osten zu gelangen. Dies klappte auch bei uns sehr gut. Nun segelten wir mehr auf Halbwind- bzw. leichtem Vorwindkurs und konnten uns auf dem Schiff wieder besser bewegen, ohne dass uns die Wellen zu sehr hin und her warfen. Holger reparierte das Radio und spielte ACDC ab. So sausten wir - die Wellen von hinten auf rollend - mit tosendem Wind mit bis zu 16 Knoten durch den Atlantischen Ozean. Was für ein Gefühl! Solange ACDC lief, hatten wir keine Angst mehr, dass etwas passieren könnte.
Durch das Schaukeln dauerten alle Arbeiten, die wir taten, dreimal solange. Am Anfang hatte ich noch viele Pläne, was ich alles am Boot machen wollte. Dadurch, dass ich mit den mir gesteckten Fleißkärtchen nicht vorankam, wurde ich frustrierter. Schließlich gab ich alle Projekte auf und beschränkte mich darauf, das Boot am Segeln zu halten und die übrige Zeit zum Ausruhen zu nutzen. So wurde die Überfahrt für uns dann auch viel entspannter.
Leider fiel drei Tage vor Ankunft auf den Azoren der Autopilot aus, so dass wir rund um die Uhr per Hand steuern mussten. Da wir 45° zu den Wellen fuhren, mussten wir jede Welle steuern. Dies waren sehr anstrengende Tage. Als wir dann dazu den Besan reffen wollten und die Lazies dabei rissen, so dass das Segel auswehte, war ich nahe dran, den Besanmast abzusägen. Bei einem der abendlichen Telefongespräche mit meiner Frau teilte ich ihr mit, dass sie Recht gehabt hätte und der Kauf der „Pegasus“ eine Fehlentscheidung war. Meine Frau baute mich dann jedoch auf, dass unser gemeinsamer Urlaub sehr schön gewesen sei und sie das Segeln mit der „Pegasus“ genossen hätte und alles besser werden würde, wenn ich erst mal wieder genug Schlaf hätte. Holger hatte mir dies bereits vorher genau so gesagt.
Auf den Azoren angekommen, wurden wir für unsere Strapazen belohnt. Die Inselgruppe sieht sehr beindruckend aus. Schroffe Steilküsten mit grünen Wiesen „on top“. Um die Inseln herum große Tümmler (kleine Delphine) ohne Ende. Meine Frau hatte auf den Azoren eine Werkstatt gefunden, welche unseren Autopiloten reparieren könnte. Wir kamen nach 16 Tagen auf See in Horta an.
Hier blieben wir knappe fünf Tage. Zum einen mussten wir doch noch einiges reparieren, und zum anderen mussten wir das Boot auch in Europa einführen. Mit netter Unterstützung klappte dies auch hervorragend.
Nach erneuten zwei Tagen auf See fuhren wir in eine Flaute, die wir mit Dieselwind bekämpften. Danach hatten wir Tage mit sehr starkem Wind. Im Ärmelkanal nahm der Wind kontinuierlich ab. Es ging zunächst nur bis zum Ijsselmeer da der Wind auf Ost drehte. Dort holten wir das Boot einen Monat später ab.
Mein Fazit: Die Entscheidung, das Boot zu kaufen, war richtig, und die Erfahrung, über den Atlantik zu segeln, möchte ich nicht missen. Bei der Technik gibt es heute viele Spielereien, die nützlich sind. Entscheidend ist jedoch, dass man sich darauf einstellt, einige Sachen reparieren zu müssen, um weiter gut voran zu kommen. Am Anfang habe ich mich darüber geärgert, dass bei den Dichtungen der Seitenluken Wasser durchrinnt. Nachdem eine Welle jedoch derartig gegen die Seitenwand dengelte, dass das Geschirr aus dem Rack in die Dusche flog, war ich beeindruckt, dass die Bordwand dem Wellendruck standhielt.
Leider haben wir es 2014 nicht geschafft, bis Eckernförde zu kommen. 2015 hat die Pegasus Wasser nur von Oben gesehen. Nun endlich im Jahre 2016 haben wir es geschafft und hoffen, die „Pegasus“ bald wieder fit zu machen, um einen schönen Sommerurlaub in der dänischen Südsee erleben zu können. Wir wurden auch sehr nett im Verein aufgenommen und freuen uns schon, all die Vereinskollegen näher kennen zu lernen.
Jörg Bäcker

Sommerurlaub in Helsinki

„Lord Jim“ machte nach dem Goldpokal Ferien in fernen Gewässern.

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1036 Lord Jim 5Die Planungen fingen Ende 2015 an, als wir erfuhren, dass der Goldpokal 2016 in Helsinki stattfinden sollte. Da haben wir, meine Frau Jule und ich, gleich gesagt, das ist super, dann segeln wir eine Woche Regatta mit unserem Sohn Jonas, und anschließend machen wir noch zwei Wochen Urlaub in den Westschären von Helsinki.
Die erste wahnsinnige Idee war, die 600 sm von Kiel nach Helsinki zu segeln und zurück zu trailern. aber durch das recht günstige Angebot, mit der Fähre von Travemünde nach Helsinki und zurück zu fahren, waren alle Gedanken beim Segeln in Finnland und nicht durch die Ostsee zu pflügen. (Anmerkung: Das Hamburger Folkeboot „Beluga“ (GER 1020), Eigner Nils Hansen, ist auf eigenem Kiel einmal Ostsee Rund einschließlich Goldpokal gesegelt. Es geht also schon.)
Am Freitag, dem 22. Juli 2016, ging es morgens gegen 03:00 Uhr mit der Fähre Richtung Helsinki. Norbert Schlöbohm fuhr unser Gespann, denn ich durfte zu der Zeit nicht Auto fahren, und Jule hat sich das Fahren nicht ganz zugetraut. Danke, Norbert, für deine Fahrdienste. In Travemünde trafen wir noch weitere Folkeboote, die „Daphne“ (GER 774) von Peter Hosie und die „Positiv“ (GER 731) von Stefan Rosehr.
Am Sonntagmorgen um 09:00 Uhr nach dem Frühstück sind wir vom Anleger in Helsinki Richtung Westen zur Halbinsel Lauttasaari zum veranstaltenden Segelclub HSK gefahren, den wir dank Peter Hosies funktionierendem Navi-Gerät dann auch fanden.
Hier wurden wir herzlich empfangen, so dass wir zur Mittagszeit schon mit „Lord Jim“ im Wasser waren. Nachmittags kam unser Sohn aus Kopenhagen von der ORC-WM mit der „HEAT“ eingeflogen, und wir konnten entsprechend in die Trimmvorbereitung übergehen. Das Schiff wurde leergeräumt und alles in die Ferienwohnung in der Nähe des HSK transportiert. Am Montag war ein Trimmschlag vorgesehen, bei dem wir noch einige Optimierungen vornehmen konnten und das Revier kennen lernten. Bei den z.T. flauen Winden mit 1-2 Bft. und sehr kleinen Patscherwellen haben wir „Rollwenden“ geübt, damit wir so wenig Fahrt wie möglich beim Wenden verlieren.
Das Regattagebiet lag ca. sechs Seemeilen außerhalb des Segelclubs und zwischen zwei wichtigen Fährlinien. Die westliche Linie war der Dauerbetrieb Tallin-Helsinki-Tallin. Diese Fähren führten jedes Mal beim Einlaufen nach Helsinki direkt vor dem Segelclub ein Wendemanöver durch. Das war natürlich für uns nicht optimal.
Der Helsingfors Segel Klub von 1899 hatte mit 66 Folkebooten ein sehr gutes Meldeergebnis. Am Start waren 25x FIN, 13x GER, 10x EST, 9x SWE, 7x DEN, 1x GBR und 1x USA.
Am Dienstag dem 26.07.2016 fingen die Goldpokalregatten mit der ersten Wettfahrt an. Wir hatten supergute Bedingungen mit einem Sommerwetter bei Winden von 1-4 Bft. Bis Sonnabend konnten wir sieben Wettfahrten segeln, wobei wir durch den langen Anfahrts- und Rückweg ins Regattagebiet teilweise bis zu 11 Stunden auf dem Wasser waren. In den sechs Segeltagen sind wir dabei auf ca. 100 sm gekommen.
In der Endabrechnung am Sonnabend sind wir auf dem 29. Platz von 66 Folkebooten gelandet und waren drittschnellstes Holz-Folkeboot. Goldpokal-Gewinner wurde der Däne Per Jörgensen mit DEN 55.
Vielen Dank an den HSK und seine Helfer, die einen sehr schönen Goldpokal organisiert haben. Es gab jeden Tag Einlaufbier, gegrillte Würstchen und die typische finnische Sauna. Der größte Mülleimer in der Sauna war für die leeren Bierdosen vorgesehen, und der war jeden Tag nach dem Rennen voll.
Am Sonntag stauten wir unsere Sachen wieder an Bord. Die Wohnung wurde aufgeräumt und abgegeben, danach war noch Zeit für eine Stadtbesichtigung in Helsinki.
Endlich am Montag fing die große Entspannung an: Jeden Tag etwas segeln, ankern an den Schären, kleine Orte besuchen, wandern auf den Schären und schönes, selbst gemachtes Essen mit gutem Rotwein genießen.
1036 Lord Jim 6Wir sind westwärts erst einmal gegen den Wind gesegelt und konnten in den Schären bei Sommerwetter in kurzer Hose schön kreuzen oder hoch am Wind segeln. Entspannung pur.
Den westlichsten Punkt, die Stadt Hanko (ca. 95 sm westlich von Helsinki), haben wir zusammen mit dem Folkeboot „Beluga“ und einer ihrer vier Rückführungs-Mannschaften erreicht.
Hanko ist eine kleine, gemütliche Stadt mit einem sehr großen Hafen. Das Einkaufen war super und auch das Essengehen direkt an der Hafenmeile war mehr als nett. Den nächsten Tag sind wir dann allein wieder ostwärts vor dem Wind gesegelt. Mit Spinnaker ging es in den Schären nicht so gut, weil die Fahrwasser recht eng sind. Außerdem war am Wochenende ein großes Motorboottreffen, was wir schon aus der Ferne hörten, da alle kleinen und großen und lauten Motorboote Richtung Hanko gebrettert sind. In Finnland gibt es keine Führerscheinpflicht, so dass einige Motorboote sehr knapp an uns vorbei gedonnert sind, obwohl Platz vorhanden war.
Empfehlenswert sind sehr viele Schären, aber drei möchten wir gerne hervorheben:
Die Festungsinsel vor Helsinki mit einem schönen Yachthafen und einem Zentrum für klassische Yachten. Auf einer Werft lagen mindestens fünf Folkeboote, aber leider in einem sehr schlechten Zustand. Auch gibt es hier noch ein sehr altes aber funktionierendes Trockendock.
Elliasaari ist ein schöner, versteckter Hafen, den wir erst nach ca. zwei sm Fahrt durch das Schilf erreichten. Hier können auch große Schiffe bis 2 m Tiefgang festmachen. Am Wochenende fand ein sehr schöner Live Bluesabend im dortigen Café statt.
Jussarö ist eine alte Bergbauinsel, auf der bis in die 60er Jahre noch Erz abgebaut wurde. Hier gibt es einen sonst seltenen schwarzen Strand. Es ist eine sehenswerte Insel mit einer interessanten Geschichte. Die Ruinen der Bergbaustätte stehen dort mitten im Wald.
Nach einer Woche Regatta und zwei Wochen Urlaub ging „Lord Jim“ beim Segelclub HSK wieder auf den Trailer und mit Finnlines von Helsinki nach Travemünde zurück. Von Travemünde sind wir direkt nach Laboe zur German Classic getrailert. Aber das ist ein anderes Kapitel.
Thomas Lyssewski, „Lord Jim“ F GER 316

Ein Baltischer Sommer

„Gunvør“ bereitet sich auf eine erneute Südseereise vor.

Da wir in 2020 wieder in die Südsee wollen und dazu die Crew brauchen, müssen wir also dafür sorgen, dass nicht Kinder, die Fußball spielen oder, Gott behüte uns, Triathlons mitmachen, zur Besatzung werden. Deshalb haben wir uns im Dezember 2015 bei uns zu Hause versammelt, viel Alkohol gereicht (nicht den Kindern!) und den folgenden Sommer geplant. Mit einigen Gläsern Wodka war gleich verschärftes Training angesagt, da eine Sommertour in die Baltischen Staaten und nach Kaliningrad (ehemals Königsberg) beabsichtigt war.

1035 Baltischer Sommer 3Gleich vorab, das mit dem Segeln war so eine Sache. Davon gab es in 2016 nicht so viel. Erst musste die Pfingst-Mannschaft ca. 40 Stunden mit Motor von Hadersleben nach Öland fahren. Danach hatten Daniel Rüter und Jan Keppler mit ihren Familien das Vergnügen, den Motor 20 Stunden lang von Gotland bis Estland zu benutzen. Ob die ca. 500 Seemeilen, die Arne Moritz dann hoch am Wind bei bis zu 35 Knoten Wind von Gdansk nach Gelting segelte, besser waren, ist fraglich. Klar ist, dass mindestens 1,5 Personen (Yella ist schwanger) mit gestörtem Gleichgewicht nicht von den Vorteilen der 30°-Neigung eines Segelschiffes an der Kreuz überzeugt waren. Nein, 2016 war kein guter Segelsommer.

Die Überführung von Dänemark zur Ostküste Schwedens wurde von meiner üblichen dänischen Pfingstcrew in einem Rutsch gemacht, mit nur einem (sehr empfehlenswerten) Stopp auf Christiansø, nordöstlich von Bornholm. Die zwei Klippen haben Jahrhunderte lang den Dänen als Festung gedient. Wir hatten das besondere Vergnügen, eine Führung durch eins unserer Besatzungsmitglieder zu bekommen, da der 17. Vorfahre seiner Familie dort als Kommandant vor 350 Jahren maßgeblich an dem Bau der Festungsanlagen beteiligt war.

Daniel Rüter und Jan Keppler haben dann zwei Wochen getestet, ob man gut mit sechs Erwachsenen und zwei zweijährigen Kindern auf der „Gunvør“ segeln kann. Bei der obligatorischen Crewparty in Tallinn, wo Sheila und ich das Schiff wieder übernommen haben, hatten wir den Eindruck, dass dies nur mit einem klaren Ja zu beantworten ist. Die vordere Eignerkoje mit dem großen Lee-Segel scheint eine hervorragende Spielwiese zu sein und auch im Salon scheint es ausreichend Platz zu geben, um alle erdenklichen Spielsachen entgegen allen erdenklichen TÜV-Vorschriften herumzustreuen. Verblüffender Weise haben wir nachher nur eine einzige, kleine Kindersocke gefunden, statt den von uns erwarteten Massen an Spielzeug, Windeln und anderen Hinterbleibseln. Wenn Teenager in der Vergangenheit an Bord gewesen sind, hatten wir eine viel größere „Ausbeute".

Die nächste Woche wurde bestimmt durch unsere estnischen Freunde, die eine ausgeprägte Liebe zu ihrem Land mit einem sehr großen organisatorischen Talent verbinden. Wunderbare Segeltörns zwischen den Inseln im Westen Estlands wurden mit ausgiebigen Ausflügen an Land gekoppelt. Highlights waren das Mittagessen mit dem Premierminister Estlands (zufällig am Nachbartisch im Hafen von Dirhami) und das Elf(!)-Gänge-Menü im Padaste-Herrenhaus auf der Insel Muhu.

1035 Baltischer Sommer 5In der Nähe von Pärnu gab es dann den nächsten Crewwechsel. Eine 100% kanadische Crew ging an Bord und konnte in den verschiedenen Häfen zumindest vom Akzent überzeugend die Frage nach dem Wahrheitsgehalt des kanadischen Heimatshafens beantworten. In Roomasaare kreuzten sich die Wege der „Gunvør“ wieder, da Daniel und Jan diesen als ersten Hafen in Estland angelaufen hatten. Der Hinweis des Hafenmeisters, dass wir uns auf den üblichen Platz legen sollten, war aber nicht sehr hilfreich. Dafür gab es eine kanadische Gästeflagge am Fahnenmast. Es war eine hervorragende Marina, wie fast überall im Baltikum. Wer dort segelt, kann mit eigenen Augen sehen, wie die EU versucht, auch in entlegenen Gebieten den Lebensstandard zu verbessern. Nicht nur sind die Anleger komplett renoviert, auch die sanitären Anlagen sind in einem Topzustand, meist mit dazugehöriger Sauna. Hinzu kommen die sehr zuvorkommenden Hafenmeister(innen), so dass man sich als Gastlieger sehr willkommen fühlt.

Leider konnten wir auf Grund des Tiefganges nicht in Kuressaare einlaufen, hatten aber das Vergnügen, dass wir das sehr sehenswerte Schloss aus den Mast der „Gunvør“ sehen konnten. Hinzu kam, dass es im Schloss eine interessante Ausstellung über die Geschichte Estlands gibt, die, was besonders der Besatzung gefiel, von der Estnischen Gemeinde in Toronto/Kanada mitfinanziert ist.

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